1. Einleitung

Das Steigenlassen von Drachen hatte ich im Frühjahr 1989 mit Lenkdrachen neu entdeckt. Bald darauf wuchs auch das Interesse an Standdrachen. Auf die Luftbildfotografie aufmerksam wurde ich durch den Artikel von Michael Haugrund im Drachenmagazin. Trotzdem sollte es noch gut ein Jahr dauern, bevor mit dem Bau des ersten Kameraträgersystems begonnen wurde.

Meistens gibt es nur wenige Gelegenheiten im Jahr, Luftbildaufnahmen zu machen. Andere Personen haben da mehr Erfolg. Wegen der Arbeit sind solche Einsätze nur am Abend oder am Wochenende möglich. Dann muß auch das Wetter und die Windbedingungen für die Luftbildfotografie geeignet sein.

Trotzdem sammeln sich mit der Zeit viele Erfahrungen aus eigenen Einsätzen und aus Informationen von anderen Luftbildfotografen zusammen. Diese Dokumentation zeigt die Entwicklungsphasen meiner Kameraträgersysteme und die gewonnenen Kenntnisse auf dem Gebiet der Luftbildfotografie mit Hilfe von Fesseldrachen.

2. Definitionen

Kameraträgersystem
Das Kameraträgersystem oder System bezeichnet den kompletten Aufbau, der für das Tragen und Betätigen einer Kamera notwendig ist. Je nach Ausführung und Anwendungsfall besteht es aus mehreren einzelnen Komponenten, die mehr oder wenig aufwendig aufgebaut sein müssen. Zum Kameraträgersystem gehört neben der Kamerahalterung auch die Aufhängung.

Kamerahalterung
Die Kamerahalterung ist das tragende Element für die verwendete Kamera und den erforderlichen Steuerelementen für das Betätigen einer Kamera. Je nach den gewünschten Anforderungen werden bei der Kamerahalterung Funktionen zum Drehen, Schwenken und Auslösen der Kamera realisiert. Die einfachste Kamerahalterung besteht nur aus einem Kameraträger.

Kameraträger
Der Kameraträger ist ein Element der Kamerahalterung, an der die Kamera befestigt wird. Mitunter ist der Kameraträger so befestigt, das ein Neigen der Kamera möglich ist. Der einfachste Kameraträger ist ein Kugelgelenk, bei der die Kamera in die Aufnahmerichtung fest eingestellt wird.

Aufhängung
Die Aufhängung dient zum Befestigen und Ausbalancieren der Kamerahalterung an der Drachenleine. Die Kamerahalterung muß dabei unabhängig von der Bewegung der Flugleine so ruhig wie möglich gehalten werden

Steuerung
Eine Steuerung ist erforderlich, wenn Funktionen an der Kamera oder an der Kamerahalterung bedient werden sollen. Werden von der Kamera automatisch Fotos erstellt und die Ausrichtung der Kamera fest vorgegeben, so ist keine Steuerung erforderlich. Sollen die Funktionen vom Boden aus bedient werden, so ist eine Fernsteuerung erforderlich.

Neigen
Mit Neigen wird die vertikale Blickrichtung der Kamera ausgerichtet. Bei einem Winkel von 0 Grad schaut die Kamera parallel zum Boden. Bei einem Winkel von -90 Grad schaut die Kamera direkt auf den Boden und bei +90 Grad direkt in den Himmel.

Schwenken
Mit Schwenken wird die horizontale Blickrichtung der Kamera ausgerichtet. Eine Beschreibung der Richtung ist nicht festgelegt.

Öffnungswinkel
Der Öffnungswinkel beschreibt den Sichtbereich des Objektives auf das Objekt. Er ist von der Brennweite des Objektives abhängig. Je kleiner die Brennweite, um so größer ist der Öffnungswinkel und um so mehr nimmt die Kamera auf.

Sichtfenster
Das Sichtfenster oder Sichtfeld ist der Bereich, den die Kamera bedingt durch das Ausrichten der Kamera, den Öffnungswinkel des Objektives und dem Abstand zum Objekt sieht. Eine Bildaufnahme ist eine Speicherung des aktuellen Sichtfensters.

3. Kamerahalterung

3.1. Allgemeiner Aufbau

Die Größe der Kamerahalterung und die Anordnung der Komponenten zum Steuern hängt von der verwendeten Kamera und den gewünschten Funktionen ab. So kann die Kamerahalterung sehr klein oder mit vielen Funktionen recht groß gebaut werden. Sollen einige Funktionen vom Boden aus kontrolliert werden, so ist eine geeignete Fernsteuerung erforderlich. Die Komponenten für die Steuerung sollten so auf der Kamerahalterung verteilt werden, daß die Gewichtsverteilung gut ausgeglichen ist. Gleiches gilt für das Befestigen der Kamera auf dem Kameraträger.

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        Beispiel einer Kamerahalterung

        1 - Servo zum Schwenken der Kamera
        2 - Servo zum Neigen der Kamera
        3 - Batterie
        4 - Verbindungselement zur Aufhängung
        5 - Empfänger

Neigen und Schwenken
Bei einer einfachen Kamerahalterung kann Neigen und Schwenken beim Aufbau fest vorgegeben werden. Beim Fernsteuern werden Servos für das Verstellen an die Kamerahalterung gebaut. Bei kleineren Kameras kann auf das zusätzliche Getriebe verzichtet werden. Beim Schwenken ohne Begrenzung muß das Servo auf endlose Drehung umgebaut werden.

Auslösen der Kamera
Das Auslösen der Kamera kann durch einen internen Zeitgeber oder durch Betätigung ausgeführt werden. Das Betätigen des Auslösers kann durch eine Zugschnur, durch einen Anschlagpunkt in der Drachenleine oder durch Fernsteuern erfolgen. Beim Fernsteuern wird ein Servo für die mechanische Auslösung oder ein Schaltkanal für die elektrische Auslösung verwendet.

Wechseln des Bildformates
Ist das Wechseln des Bildformates von Querformat (Landscape) auf Hochformat (Portrait) gewünscht, so kann diese Funktion durch ein Servo gelöst werden (Nur bei Fotoapperaten sinnvoll). Der Kameraträger wird durch Verstellen eines Servos um 90 Grad gedreht.

Standbeine
Durch Anbringen von 3 Standbeinen ist immer ein sicheres Absetzen der gesamten Einheit möglich. Dies kann sowohl beim Starten und Landen, als auch bei Test- und Service-Arbeiten sinnvoll sein.

Peilstäbe
Durch Peilstäbe am Rahmen der Kamerahalterung und/oder am Kameraträger kann aus der Ferne die Blickrichtung der Kamera besser abgeschätzt werden.

Videokontrolle
Will man vom Boden aus schon wissen, in welche Richtung die Kamera schaut, so kann eine CCD-Videokamera mit integriertem Sender verwendet werden. Am Boden wird über ein Monitor, der am Empfänger angeschlossen ist, die Blickrichtung der Kamera überwacht. Nachteil ist das höhere Gewicht der Kamerahalterung durch zusätzliche Akkus und der Mehraufwand für die Überwachung am Boden.

3.2. Ferngesteuerte Kamerahalterung für RICOH FF9

Im Jahre 1992 begann ich mit dem Bau meiner ersten Kamerahalterung für die Kompaktkamera RICOH FF9. Die Zielsetzung war, über eine Funkfernsteuerung die Kamera zu schwenken, zu neigen und elektronisch auszulösen.

Der Rahmen wurde so klein wie möglich aus Aluminium-Profilen mit den Stärken von 1 mm und 1,5 mm aufgebaut. Der Fernsteuerempfänger, der Schaltkanal zum Auslösen der Kamera und die Spannungsversorgung sind in einem Kunstoffgehäuse untergebracht. Mit einem umgebauten Servo ohne Begrenzung des Stellweges und einer Untersetzung kann die horizontale Richtung der Kamerahalterung eingestellt werden. Die Neigung erfolgt ebenfalls durch ein umgebautes Servo ohne Begrenzung und einer Untersetzung. Der Einstellbereich der Kameraneigung muß allerdings wegen dem Auslösekabel in beiden Richtungen begrenzt werden. Die Begrenzung erfolgt über Anfahren von Mikroschaltern, die den Motorstrom des Servos für die angewählte Richtung unterbrechen. Eine Steuerung in die Gegenrichtung ist trotzdem möglich, bis in der Richtung der entsprechende Mikroschalter angefahren wird. Die Auslösung der Kamera erfolgt durch einen elektrischen Kontakt, der ferngesteuert über einen Schaltkanal mit Relaisausgang geschlossen wird.

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Die ersten Fotos mit dieser Kamerahalterung wurden 1993 gemacht. Mit verschiedenen Aufhängungen war diese Kamerahalterung bis zum Frühjahr 1995 im Einsatz.

Bei der Handhabung dieses Sytems wurden folgende Feststellungen gemacht:

3.3. Ferngesteuerte universelle Kamerahalterung

Im Frühjahr 1995 entschied ich mich, eine zweite Kamerahalterung zu bauen, die universell eingesetzt werden kann. Neben der Kompaktkamera RICOH FF9 sollte auch die Spiegelreflexkamera RICOH KR10 mit externen Winder und die Videokamera AKAI PV-MS8 bedient werden können.

Der Rahmen wurde diesmal vornehmlich aus kleineren Aluminium-Profilen mit 1mm Stärke aufgebaut. Der obere Teil ist als Wanne ausgeführt, wo neben Akku und Empfänger die Auslöseeinrichtungen für Fotoapparate montiert sind. Der elektronische Schaltkanal mit Relais-Kontakt für die Auslösung der Kompaktkamera befindet sich zusammen mit einem Schalter und einem Spannungsregler in einem Servo-Gehäuse. An einem Servo ist ein Drahtauslöser befestigt, mit dem die Spiegelreflexkamera betätigt werden kann. Die Videokamera wird nicht gesteuert, sondern kurz vor dem Start wird die Aufnahme gestartet. Während dieser Teil der Kamerahalterung kompakter aufgebaut werden konnte, mußte der Kameraträger größer ausfallen. Durch Ändern der Lagerposition und Auswahl der Befestigungspunkte kann der Kameraträger an verschiedene Kameras angepaßt werden. Die Neigung des Kameraträgers erfolgt über ein Zwischengetriebe direkt im Verhältnis zur Verstellung des Servos. Durch einen zusätzlichen Stellwiderstand mit einer Skala am Fernsteuersender wird jetzt die Kameraneigung direkt auf einen Neigungswinkel eingestellt. Am oberen Teil des Rahmens ist die Achse zur Aufhängung an zwei Punkten geführt und weist nur noch geringes Spiel auf. Das Schwenken der Kamerahalterung erfolgt mit einem kleineren Untersetzungsgetriebe. Die horizontale Blickrichtung der Kamera muß noch vom Boden abgeschätzt werden.

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Auf Fanö wurde dieses Kameraträgersystem mit der Videokamera zum ersten Mal erfolgreich eingesetzt. Im Herbst mußte ein Versuch mit der Spiegelreflexkamera wegen zu geringer Zugkraft des Drachens abgebrochen werden.

Mit dieser Kamerahalterung wurden folgende Erfahrungen gemacht:

3.4. Automatische Kamerahalterung für Panoramaaufnahmen

Will man mit ferngesteuerten Kamerahalterungen Panoramaaufnahmen aus mehreren Bildern machen, so ist es schwierig, die horizontale Position korrekt einzustellen. Beim ersten internationalen KAPWA-Treffen in Deutschland (Ostern 1993 in Bad Bevensen) sah ich eine Kamerahalterung von Michel Dusariez, die für diese Anwendung geeignet ist.

Im April 1996 begann ich mit dem Aufbau einer solchen Kamerahalterung. Für den Rahmen wurde so wenig Aluminiumprofil wie möglich benutzt. Für den Antrieb wird ein umgebautes Servo benutzt, daß kontinuierlich in jeder Richtung drehen kann. Es wird nur der Motor mit dem Getriebe gebraucht. Deshalb wird die Elektronik für die Funkfernsteuerung entfernt und die Motorleitungen zu einer Steuerelektronik in einem anderen Servogehäuse geführt. Das Auslösen der Kompaktkamera (RICOH FF10) und das Steuern des Schwenkens erfolgt über Mikroschalter, die von Schaltnoppen auf einer Steuerscheibe betätigt werden. Die Neigung der Kamera wird manuell durch ein einfaches Kugelgelenk vorgegeben. Die Steuerscheibe wird an die Aufhängung befestigt und steht fest. Die Kamera hängt kopfüber am Kameraträger und wird durch den Motor gedreht. Um die Kamerahalterung kompakt zu halten, erfolgt die Spannungsversorgung aus einer 9V-Blockbatterie. Um die Geschwindigkeit des Servo-Motors zu reduzieren, ohne an Kraft zu verlieren, erfolgt die Geschwindigkeitseinstellung durch Impulsbreitensteuerung.

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Mit Betätigen einer Starttaste wird die Steuerung des Motors aktiviert. Zuerst läuft eine Wartezeit von ungefähr einer Minute ab. Diese Zeit muß ausreichen, um das Kameraträgersystem stabil auf Aufnahmehöhe zu bringen. Nach Ablauf der Wartezeit wird der Motor kurz eingeschaltet, um die Stop-Position auf der Steuerscheibe zu verlassen. Danach dreht sich der Motor selbstständig mit langsamer Geschwindigkeit, bis die Stop-Position wieder erreicht ist. Während der Umdrehung wird über einen weiteren Mikroschalter durch Schaltnoppen auf der Steuerscheibe die Kompaktkamera ausgelöst. Während einer Umdrehung werden 8 Fotos in einem horizontalen Winkelabstand von 45 Grad aufgenommen.

Das komplette Kameraträgersystem ohne Kamera hat ein Packmaß von 10cm x 10cm x 10cm. Da keine Fernsteuerung benötigt wird, ist dieses System ideal für Urlaub oder bei Platzmangel.

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Diese Aufnahmereihe wurde während des Treffens der Luftbildfotografen in Bad Bevensen (FLiBB 1996) gemacht.

3.5. Kleine Kamerahalterung für RICOH FF10 (Nr 4)

Im Februar 1997 wurde diese Kamerahalterung so klein wie möglich mit Funktfernsteuerung für die Kamera RICOH FF10 gebaut. Sie kann auch für die RICOH FF9 verwendet werden. Die letzte Kamerahalterung mit Funkfernsteuerung (Nr 2) war zu groß, wegen der universellen Verwendbarkeit für Kompaktkamera, Spiegelreflexkamera und Videokamera. Um diese kleine Kamerahalterung zu realisieren (über alles 15cm x 17cm x 4cm) mußte die Kamera kopfüber montiert werden. Für die Funkfernsteuerung benutzte ich wieder mein System Graupner 314.

Für das schnelle Wechseln des Empfängers wurden alle benötigten Signale auf eine SUB-D9-Steckverbindung geführt (gesehen bei Peter Bults). Die horizontale Richtung wird durch ein für endlosen Umlauf modifiziertes Standardservo eingestellt. Die vertikale Richtung wird durch ein Standardservo mit einer Schubstange eingestellt. Die Blickrichtung der Kamera ist dadurch von gerade herunter (-90 Grad) bis ungefähr +10 Grad zum Horizont. Die Kameraauslösung erfolgt durch einen elektronischen Schalter in SMD-Technologie. Die Größe der Schaltung mit SUB-D9-Stecker für den Empfänger und dem Anschluß der beiden Servos beträgt dabei nur 4cm x 2cm x 1cm. Das Einschalten der Anlage erfolgt durch Anschließen des Akku-Packs (4.8V, 300mAh).

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Es ist das erste Mal, daß ich das Gewicht meiner Anlagen gemessen habe. Diese Kamerahalterung mit Aufhängung und Kamera hat ein Gewicht von etwa 640g. Der Jungfernflug wurde erfolgreich Anfang März durchgeführt.



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©2015 Harald Prinzler